Januar 30, 2023

ChatGPT-vs-Google

Schlacht der Schlitzer – ist ChatGPT das Ende von Google Ads?

Alarmstufe Rot bei Google. CEO Sundar Pinchai ruft „Code Red“ aus und bestellt die Mitgründer Sergey Brin und Larry Page in den Beraterstab zurück. Grund für die Aufregung: Anwendungen wie ChatGPT bedrohten die Geschäftsgrundlage von Google und könnten laut New York Times „die erste nennenswerte Bedrohung seit Jahrzehnten für Googles 149 Milliarden Dollar schweres Suchgeschäft“ sein.

Falls das der Fall ist, ist die Angelegenheit eine nähere Betrachtung wert. Denn sollten Machine-Learning-Anwendungen wie das zugrundeliegende GPT-3 tatsächlich dafür sorgen, dass die Menschen sich von Suchmaschinen abwenden, dann betrifft es sämtliche Geschäftsmodelle rund um die Suche – also insbesondere Suchmaschinenwerbung und -optimierung. Alle Werbetreibenden wären ebenso betroffen wie die gesamte SEA/SEO-Werbeindustrie.

Und das macht zwei so scheinbar harmlos wirkende und ähnliche Bedienkonzepte (Texteingabe in einen Suchschlitz/Texteingabe in einen Prompt-Schlitz) möglicherweise zu etwas, das nicht weniger als ein Schlachtfeld für eine ganze Industrie eröffnet. Aber eins nach dem anderen.

Was ist neu?

Neu ist der sehr gut trainierte Sprachmodellsatz GPT-3 mit Modellen wie text-davinci-003. Besonders bestechend ist seine konversationale Qualität, das in der Anwendung als Chatprogramm auch längere Gesprächsfäden überzeugend zusammenhält. Aber nicht nur das, es kann noch eine ganze Menge mehr, es kann Essays und Gedichte im Stil von Rilke schreiben oder beim Entwickeln von Code und Skripten assistieren.

Das geballte Wissen des Internets, zusammengefasst in nur einer Antwort Man kann es auch anders beschreiben: GPT-3 ist das geballte Wissen des Internets – immer wieder neu formuliert. Denn die Modelle wurden mit Unmengen aus dem Internet zusammengelesenen Inhalten trainiert. Allerdings nur mit solchen Inhalten, die bis zum Juni 2021 vorlagen. Danach ging’s ins Trainingscamp.

Was hat das alles mit Werbung zu tun?

Anders als Google ist OpenAI (die Muttergesellschaft) keine Werbemaschine. Noch nicht. An OpenAI beteiligt sind Microsoft und Meta – beides Konzerne mit großer Datensammelleidenschaft und unterschiedlich großen Standbeinen in der Werbung, bei Meta sind sowohl Stand- als auch Spielbein involviert. 

Mit Microsoft Ads betreibt Microsoft allerdings ein Suchmaschinen-Werbegeschäft, das nahezu deckungsgleich ist mit Googles. Dass das bei Google zu Hektik führt, ist verständlich.

Nun weiß noch niemand, welche geschäftlichen Potenziale die Beteiligten hier zum Beispiel im chatgestützten Werbegeschäft sehen. Spekuliert wird aber sehr wohl, ob intelligente Chatbots in naher Zukunft die Suchaktivität der Nutzer verdrängen werden. Denn warum sollten die Menschen noch nach Themen googeln, wenn sie von ChatGPT eine Antwort ohne Umschweife bekommen können?

Wenn das der Fall wäre, dann müssten alle bangen, die mit dem bisherigen Anzeigengeschäft ihr Geld verdienen. Alle Berater, Strategen, Werbeplätze-Ein- und Verkäufer und alle, die KI bisher für andere Zwecke einsetzen. Ihre Real-Time-Bidding-Plattformen und sonstigen KI-getriebenen Optimierungstechnologien wären möglicherweise über Nacht wert- und arbeitslos.

(Übrigens: Bei unseren Gedanken gehen wir davon aus, dass Google sich in seinem Kerngeschäft bedroht fühlt, nämlich der Werbung, und nicht davon, dass Google Workspace nicht mehr mit einer zukünftigen Ausgabe von Microsoft Office konkurrieren könne. Denn das sollten sie mit ihrer eigenen Sprach-KI LaMDA und einigem Feintuning sehr wohl können.)

Was bedeutet das für die Nutzer?

Konzentrieren wir also auf das vermutete Bedrohungsszenario: Die Leute hören auf zu googeln. Das bringt uns zum Anfang der Wertschöpfungskette mit den Nutzerinnen und Nutzern. 

Dies ist eine disruptive Technologie, und ohne jeden Zweifel wird dies ein Startup-Fest für zahllose neue attraktive Anwendungen von neuartigen Office- und Projektmanagement-Suiten bis hin zu Kompositions- und Analysetools. Und eben einer Antwortmaschine. 

Beginnen die Nutzer deshalb sofort, ihre Gewohnheiten umzustellen? Versiegt ab sofort jeder Website-Traffic, der bisher mit einer Google-Suche begann und Googles Werbemaschine wie von selbst ölte?

Wir sind skeptisch. Für viele ist Googeln wie eine einstudierte Kulturtechnik. Gewohnheit und Trägheit werden dafür sorgen, dass sich daran nicht allzu schnell etwas ändert. Das ist eine triviale Einschätzung, die für einige Zeit Bestand haben dürfte. Aber dann?

Das Erlebnis zwischen einer Google-Suche und der Interaktion mit ChatGPT ist fundamental anders. Es ist der Unterschied zwischen „Ergebnis“ und „Antwort“. 

ChatGPT antwortet ob ich noch googeln muss
ChatGPTs Antwort darauf, ob Googeln in Zukunft noch nötig ist.

Bisher liefert Google zahllose mögliche Antworten auf eine Frage in einer kuratierten Liste – dem Suchergebnis. Das was wir für das beste Ergebnis halten, müssen wir uns im Anschluss oft mühevoll selbst heraussuchen.

Chatbots wie ChatGPT liefern hingegen genau eine Antwort auf eine Frage. Wenn uns diese Antwort nicht gefällt, können wir eine neue Antwort generieren lassen. Inhaltlich ist sie allerdings weitgehend gleich. Das endlose Scrollen und Blättern durch beworbene oder organische Suchergebnislisten dürfte uns schon bald wirr und antiquiert vorkommen.

Das Ergebnis in Form einer einzigen und klaren Antwort kann sich subjektiv sogar schneller anfühlen. Dieser Eindruck mag objektiv falsch sein, weil wir aktuell der Maschine noch beim gemächlichen Schreiben im ungefähren Lesetempo zusehen müssen/können (immerhin etwas unterhaltsam). Texte diagonal überfliegen können wir dabei allerdings nicht. Wir müssen warten. 

Der entscheidende Punkt aber ist dieser: ChatGPT macht zu diesem Zeitpunkt keine transaktionalen Angebote. Mit außerordentlichen Qualitäten in der Kreation von Inhalten und dem Vermitteln von Wissen ist es eben nicht in der Lage, dieses Wissen in Handlungen zu übersetzen.

Schwächen gegenüber der Suche

Für die Customer-Journey bedeutet das also, dass Teile der informationsgetriebenen Reise an Sprach-KIs verloren gehen können. Aber auch wenn mir die KI erklären kann, was das Besondere zum Beispiel an einem Kühlschrank mit Digitalkonverter ist, so kann ich ihn bei ihr nicht kaufen.

Generator-Bots unterstützen Nutzer bei der informationalen Suche – die transaktionale bleibt außen vorDie KI kann mir auch nicht erklären, wie ich meine Grundsteuererklärung ausfülle, oder wie ein Akkuspeicher für meine Photovoltaikanlage dimensioniert sein muss, geschweige denn wer ihn mir installiert.

Das Ein-Antwort-Schema bringt auch eine prinzipielle Schwäche mit sich: Es gibt keine Vielfalt, weder auf der Angebots- noch auf der Meinungsseite. Überhaupt fällt Meinung aus. Dieser Meinungsartikel wurde ohne Mitwirkung von GPT-3 verfasst. Der Autor musste noch selber ran.

Neue Geschäftsmodelle

Aktuell stellt die Muttergesellschaft OpenAI einige Funktionen ihrer Text- und Bildgeneratoren der Öffentlichkeit frei zur Verfügung. Im „Playground“ genannten Bereich können Interessierte mit der KI experimentieren. Entscheidend ist jedoch der kostenpflichtige Zugriff auf die API. Sie ermöglicht es, die Text- und Bildmaschine in neue Geschäftsmodelle zu integrieren, nach denen derzeit fieberhaft gesucht wird.

Die New York Times zitiert eine interne Präsentation und zwei anonyme Quellen, demnach will Google dieses Jahr 20 neue KI-gestützte Produkte auf den Markt bringen. Und selbstverständlich will Microsoft seine Investition in OpenAI versilbern, indem es Chat- und Textgeneration in seine Officeprodukte und Bing integriert. Auch Google hat der Präsentation zufolge das Ziel, die Suchfunktion in diesem Jahr mit Chat-Fähigkeiten aufzuwerten.

Die Herausforderung besteht darin, diese Angebote mit bestehenden oder ähnlichen Werbemodellen zu monetarisieren. 

Denkbar ist, dass auch hier Keywords in generierten Texten beworben werden können. Hier liegt das Risiko darin, komplexe Kontexte zu beherrschen, in denen diese Keywords dann erscheinen können. Naheliegend ist eher, dass Ads wie wir sie kennen im Stil von Advertorials in diesen Texten platziert werden.

Das wäre also fast schon Business-as-usual für Werbetreibende. Heißt das also Code Red für Google, aber Entwarnung für alle anderen? Nicht ganz. Wir müssen die User-Experience nämlich neu denken.

Herausforderungen an Werbetreibende

Die Zukunft des Werbetraffics wird, wie heute auch, mehrstufig sein – allerdings geprägt durch Vorwissensaneignung durch Chatbots. Schon heute sind 80 % des Webtraffics „informationaler“ Natur

Anders und ganz einfach ausgedrückt: Der Beginn einer für das Werbegeschäft so wichtigen Kundenreise beginnt mit der Aneignung von Wissen zu einem Thema. Doch auch später im Funnel kommt es zu Phasen die informationaler Art sind – wenn sie sich vergewissern, absichern und postrationalisieren.

Genau diesen Teil, den der Wissensaneignung, den könnten in der Zukunft Chatbots übernehmen. Keine Webrecherche nötig. Die verbleibenden 10 % transaktionalen Traffics (weitere 10 % nennt Google „navigational“) fangen wir wie gehabt mit Ads ab, richtig? Nicht ganz so schnell.

Wo auch immer die Nutzer im transaktionalen Prozess jetzt herkommen, vom Chatbot (durch Werbung) oder durch eine informierte Webrecherche, die Seiten, auf denen diese Besucher jetzt landen, müssen besser sein als bisher. 

Denn die Landingpages wie wir sie kennen, sie sind bisher nicht besonders gut darin, einen schlauen Eindruck zu machen. Warum? Es gibt einfach zu viele Wissensthemen, als dass wir alle auf einer Landingpage abbilden können – geschweige denn, Wissensfragen individuell zu beantworten.

Landingpages brauchen einen höheren IQ

Anzeigen-Landingpage-Paare á la „Jetzt kaufen und 10 % Rabatt sichern“ werden in Zukunft einfach nicht mehr reichen. Unsere Kunden werden ihre Recherchen immer häufiger mit Textgeneratoren beginnen. 

Sollten wir unsere Anzeigen im Textgenerator-Umfeld im Advertorial-Stil (s. o.) schalten, dann wirken mit ihrem offensiv transaktionalem Charakter heute schon ziemlich plump. Im Kontext mit einer fast lexikalisch geprägten KI-Umgebung gilt das aber erst recht.

Mehr als heute schon sind in Zukunft die informativ-transaktionalen Landingpages der Flaschenhals

Die wahre Schwäche tut sich auf, wenn ein Klick auf diese Anzeigen offenbart, dass die Landingpage dümmer ist als der wohlinformierte Interessent. Ausgerechnet beim Händler kommt die Beratungs- und Informationsoffensive zu einem abrupten Halt.

Mit dem Aufkommen neuer KI-Tools wie GPT-3 steigt aber die Erwartung an das Nutzererlebnis in Form individueller, informativer und aufklärender Inhalte. Statische Abverkaufs- und Vorteilskommunikation im Format one-size-fits-all wird in diesem Umfeld antiquiert wirken. Der Ausblick für Werbetreibende ist also, dass die Conversions schwächeln.

Intelligente Landingpages
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Ach so, müssen wir dann also ebenfalls GPT-3 an unsere Landingpages anbinden, damit alles gut wird? Nein, so einfach ist es nicht. Die Herausforderung dabei ist, dass der Text nicht erst zur Laufzeit generiert werden kann. Er muss vorher schon da sein – und mit 90+ % Page Speed auf mobilen Geräten laden. Stattdessen einen blinkenden Cursor zu präsentieren, der dann beginnt, recht gemächlich einen Text zu schreiben, dürfte die Erwartungen der meisten kaufwilligen Besucher eher nicht erfüllen.

Fazit

Ads und Landingpages müssen ein kongruentes Erlebnis als Fortsetzung der informativ geprägten Reise bieten:

–> Sie müssen mindestens genauso gut informiert sein wie ihre Besucher
–> Sie müssen das rein textliche Erlebnis vom Bot bildreich und informativ fortsetzen
–> Sie müssen der Informationsreise einen transaktionalen Anschluss liefern

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